Widerstandspunktschweißen von ahss high-ductility Stählen
Die entscheidenden Punkte
Der Umformer Freud, der Schweißer Leid – stimmt das? Die Automobilindustrie schätzt höchstfeste high-ductility Stähle (ahss high-ductility), die bei Zugfestigkeiten jenseits der 1.000 MPa mit Dehnungen im zweistelligen Prozentbereich hohe Umformfreiheiten bieten. Aber wie steht es mit der Schweißbarkeit - besonders beim Widerstandspunktschweißen verzinkter Stähle? Wir haben Robert Sierlinger, voestalpine F&E-Fachverantwortlicher für Fügen (von Kaltband), auf den Schweißpunkt gefühlt.
Automotive-Notes: Gleich direkt gefragt: Wo liegen die Herausforderungen beim Schweißen von ahss high-ductility Stählen?
R. Sierlinger: In der Automobilfertigung ist primär das Widerstandspunktschweißen maßgeblich. Stähle mit hohem Legierungsgehalt und speziellen Oberflächen stellen hier schon Herausforderungen dar. Und gerade ahss high-ductility Stähle weisen einen hohen Legierungsgehalt auf, denn dieser bedingt in exakter Abstimmung mit der Wärmebehandlung die hohe Festigkeit bei guter Umformbarkeit. Hinzu kommt, dass für einen hohen Korrosionsschutz der zu fertigenden Bauteile verzinkte Stähle verwendet werden.
Schweißausbrüche bei Experten durch Liquid Metal Embrittlement
R. Sierlinger: Im Speziellen tritt beim Punktschweißen verzinkter Stähle häufig das Phänomen der Flüssigmetallversprödung (engl.: LME – Liquid Metal Embrittlement) auf. Dabei dringt durch Schweißwärme verflüssigtes Zink von der Stahloberfläche unter gleichzeitigem Einwirken von Spannungen durch die kontaktierende Punktschweißelektrode in die Korngrenzen des Stahls ein. Das schädigt den Stahl bzw. die Schweißverbindung. Ausschlaggebend für den Einfluss von LME auf die Punktschweißeignung ist letztendlich das Ausmaß dieser Schädigung, beispielsweise die Eindringtiefe des Zinks in den Stahl und/oder den Schweißpunkt oder eine Verringerung der über den Schweißpunkt übertragbaren Kräfte.
ahss high-ductility Stähle sind aufgrund ihrer speziellen Legierungszusammensetzung empfindlicher gegenüber LME und weisen dementsprechend im Vergleich zu bisher verwendeten Stählen eine verringerte Punktschweißeignung auf.
Gute Schweißbarkeit von voestalpine ahss high-ductility Stählen in den Festigkeitsklassen 600 und 800 MPa
Automotive-Notes: Kann man die Punktschweißeignung präzisieren?
R. Sierlinger: Da möchte ich vorausschicken, dass neben der Stahlchemie auch die verwendete Schweißausrüstung und -parametrierung nennenswerten Einfluss auf die Punktschweißeignung ausübt. Die Ermittlung der Schweißeignung erfolgt in umfangreichen Schweißuntersuchungen unter Verwendung der zur Verfügung stehenden Gerätetechnik und der bevorzugten Schweißstrategie an der betreffenden Material-/Blechdickenkombination.
Im Rahmen von zahlreich erfolgreich abgeschlossenen Werkstofffreigaben konnte in der jüngeren Vergangenheit gezeigt werden, dass ahss high-ductility Stähle in den Festigkeitsklassen 600 und 800 MPa (DP600 HD, DP800 HD) sich in ihrer LME-Empfindlichkeit nicht nennenswert von ihren klassischen ahss-Pendants unterscheiden und eine ausreichende Schweißbarkeit von Bauteilen mit diesen Stählen gewährleistet ist.
Empfehlungen für das Schweißen höherer Festigkeitsklassen
Automotive-Notes: Welche Empfehlungen haben Sie für das Schweißen höherer Festigkeitsklassen?
R. Sierlinger: In den Festigkeitsklassen 1000 und 1200 MPa empfiehlt sich die Verwendung größerer Elektrodenkontaktflächen, z.B. 8 mm statt 6 mm. Vorteilhaft sind auch C-Punktschweißzangen mit hoher Steifigkeit und die Verwendung von flachen Elektrodenkappen, z.B. Typ A, in Kombination mit hohen Elektrodenkräften zwischen 4 und 5 kN. Geeignete Schweißgeräte und -steuerungen, die auf diese Anforderungen ausgelegt sind, sind beim Schweißen höchstfester Stähle generell obligat.
Automotive-Notes: Die Empfehlungen bewähren sich in der Praxis?
R. Sierlinger: Natürlich. Insbesondere die größere Elektrodenkontaktfläche hat sich als wirksame Maßnahme gegen das Auftreten von LME erwiesen und wird von zahlreichen OEMs verwendet.
Automotive-Notes: Wie geht es in Zukunft weiter?
R. Sierlinger: Bei voestalpine arbeiten wir intensiv an der Senkung der LME-Empfindlichkeit der Festigkeitsklassen 1200 MPa und höher. Die Ansatzpunkte liegen sowohl im legierungs- als auch im schweißtechnischen Bereich. Da sind wir schon an guten Lösungen dran.