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DRAHTENTWICKLUNG

17. Februar 2021 | 

Eisendrähte werden seit 1500 Jahren hergestellt, seit 200 Jahren in einer kontinuierlichen Form, die wir heutzutage kennen. Was gibt es da also noch zu entwickeln?

Das Produkt Draht ist inzwischen genau spezifiziert: enge Toleranzen bei den Durchmessern oder Profilabmessungen, mechanische Eigenschaften mit geringer Streuung, die Oberfläche und das Innenleben fehlerfrei. Unsere Partner haben eine genaue Vorstellung davon wie unser Draht aussehen soll und dabei stets das eigene Endprodukt im Fokus.

Die Herausforderung

Alle Wunscheigenschaften werden gleichmäßig an jedem Millimeter, den wir aus einem 3-Tonnen-Knüppel fertigen, erwartet. Je nach Produkt sprechen wir von über 18 km bei einem 5,5 mm-Walzdrahtbund oder über 200.000 km bei 50 µm-Draht der voestalpine Special Wire. Gleichzeitig soll unser Draht leicht umformbar sein, mit oder ohne Beschichtungen unser Haus auf Spulen oder in Bünden verlassen, und beim Kunden zu einem hochfesten und doch zähem Produkt werden.

Machen wir unseren Job richtig, dann entstehen aus unserem Draht viele hundert Einzelteile, die wir unter anderem in Autos finden. Keine Küchenlade öffnet sich ohne unsere Drähte, keine Fassade hält an der Wand, keine Brücke, kein Windturm kommt ohne sie aus. Jahr für Jahr liefern wir 400.000 Tonnen Draht, um in der Industrie verbindend zu wirken.

Von der Entwicklung zu den Oberflächeneigenschaften

Wir greifen in drei Bereichen in den Draht ein:

  • Wir entwickeln angepasste Stahllegierungen und gestalten das metallurgische Gefüge mit unserem Wissen über Wärmebehandlungen.
  • Wir bringen den Draht in seine Form und erweitern dazu unsere Expertise im Bereich Umformen, vom Warm- bis zum extremsten Kaltumformen, vom Ziehen bis zum Walzen und Fließpressen.
  • Und am Ende gestalten wir die Oberflächeneigenschaften unserer Drähte mit geeigneten Vorbehandlungen, Reinigungen und Beschichtungen.

Alle technologischen Eigenschaften unserer Drähte leiten sich aus ihrem metallurgischen Gefüge ab. Abhängig vom Gehalt an Legierungselementen (C, Si, Mn, Cr, Ni, …) bilden sich verschiedene Gefügephasen. Am häufigsten wird man in unseren Stählen Perlit finden, ein streifiges Phasengemisch aus Ferrit und Zementit. Glüht man dieses Phasengemisch so, dass sich der Zementit kugelig einformt, ergibt das ein Gefüge, welches eine geringe Festigkeit hat und von uns oder unseren Kunden leicht umgeformt werden kann.

Verschiedene Abkühlgeschwindigkeiten von Warmwalztemperatur runter auf Raumtemperatur verändern ebenfalls das entstehende Gefüge und dessen Eigenschaften. Das kann bei unsachgemäßer Bearbeitung zu Fehlern führen (harte Zonen im Draht), wir nutzen diese Vorgehensweise, um ganz bestimmte Gefügetypen zu erzeugen, z.B. einen hochfesten und noch immer verformbaren Bainit, der dem Kunden eine ganze Wärmebehandlung ersparen kann.

Unsere Arbeit geht viel weiter. Mit speziellen Mikrolegierungselementen können wir gezielt die Bildung von Ausscheidungen fördern und mit Kornfeinung hohe Festigkeit erzielen. Das erlaubt uns das Aufwerten von einfachen Stählen, oder auch die Integration von Eigenschaften, die sich im Normalfall widersprechen würden.

Von Stahlknüppeln zu gezogenem Draht

Aus Stahlknüppeln 150x150 mm mit 18 Meter Länge entstehen unsere warmgewalzten Walzdrähte mit Durchmessern von 5 bis über 40 mm. Jeder Durchmesser braucht seine speziellen Walzprofile, jeder Werkstoff eine angepasste Folge für die Reduktion der Durchmesser. Unser Erfahrungswissen erlaubt Zwischenabmessungen ebenso wie thermomechanisch gewalzte Drähte.

In unseren Ziehereien wird kalt gezogen oder gewalzt. Diese Kaltverformung führt zu einer plastischen Verformung und damit zu einer Kaltverfestigung. Die Verfestigung kann erwünscht sein, wie etwa in der voestalpine Special Wire, wo die Endfestigkeiten nahe an der theoretischen Festigkeit von Stahl liegen. In den meisten Fällen zwingt sie uns aber, bis zum Finaldurchmesser mehrere Glüh-, Beiz- und Ziehschritte zu machen.

Zum Drahtziehen braucht es Ziehsteine. Diese sind meist rund und haben eine Öffnung in der Mitte, durch die der Draht gezogen wird und in der der Durchmesser abnimmt. Die Geometrie (z.B. Kontaktlänge, Umformwinkel) richtet sich nach Stahltyp und Festigkeit, ebenso wie die Auswahl des geeigneten Ziehschmierstoffs. Erst aus der optimalen Kombination entsteht der perfekte Draht.

Die Formgebung von Profilen ist ein weiteres Kompetenzfeld, das an anderer Stelle erläutert wird.

Die meisten unserer Kunden fangen mit hartgezogenen Drähten wenig an, weil sie selbst weitere Umformschritte vorhaben, um beispielsweise einen Hohlniet zu fertigen. Um das zu ermöglichen, liefern wir unsere Drähte geglüht und gebeizt und je nach Kundenwunsch beschichtet.

Die Entwicklung von Beschichtungen ist ein hochinnovativer Schritt, diese Beschichtungen müssen entweder gute Gleiteigenschaften liefern, große Umformschritte überstehen, vielleicht auch Temperaturen bis 420°C. Sie können dem Korrosionsschutz dienen oder einfach nur einen kurzen Schutz gegen Abrieb bieten. Im Idealfall ist diese Beschichtung aber auch entfernbar, damit der Kunde keine Beschränkung bei seinem geplanten optischen Finish hat.