Zunder, Staub und Schlacke können als sekundäre Rohstoffquellen genutzt werden – Produkte, die traditionell als Abfall angesehen werden, enthalten oft wertvolle Ressourcen. Bei HPM setzen wir uns seit langem dafür ein, die Nebenprodukte aus unseren Produktionsstätten zu recyceln und wieder in die Wertschöpfungskette zu integrieren. Das inSPire Circular Economy Team arbeitet daran, dieses Thema in mehreren Projekten weiterzuentwickeln. In diesem Artikel werfen wir einen Blick hinter die Kulissen.
Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen hat in den Unternehmen der HPM-Division seit jeher einen hohen Stellenwert. So gibt es beispielsweise bei voestalpine BÖHLER Bleche seit Jahren ein bewährtes Verfahren zur Wiederverwertung von Nebenprodukten: In den Produktionsanlagen werden täglich zahlreiche Bleche geschliffen, wobei Schleifabfälle in Form von Metallspänen anfallen. Diese “Späne” werden sortenrein gesammelt und zu Briketts gepresst, was die Rückgewinnung und Wiederverwendung der Metalle, z.B. in der Elektrolytschmelze, ermöglicht.
Nina Wilding, verantwortlich für das Umweltmanagement bei voestalpine BÖHLER Bleche, beschreibt diesen Prozess: “Bei voestalpine BÖHLER Bleche sind wir seit vielen Jahren bestrebt, den Kreislauf von Nebenprodukten aktiv zu schließen und damit umweltrelevante Maßnahmen umzusetzen. Durch die sortenreine Sammlung und Aufbereitung von Schleifrückständen müssen wir die anfallenden Nebenprodukte nicht mehr als Abfall entsorgen, sondern können sie in Form von Briketts im Produktkreislauf halten. So können wir unsere Recyclingquote erhöhen.”
Voraussetzung für die Brikettierung ist, dass die Nebenprodukte sortenrein gesammelt werden – und das ist eine der größten Herausforderungen beim Recycling potenzieller Sekundärrohstoffe. Oftmals können die Nebenprodukte in HPM-Anlagen nicht direkt an der Anfallstelle sortiert werden, da eine Vielzahl von Materialien in denselben Anlagen verarbeitet wird und nicht immer Platz für die Sammlung verschiedener Fraktionen vorhanden ist. Das Ergebnis ist der so genannte “Wiener Mix”: eine Mischung verschiedener Legierungselemente aus allen verarbeiteten Stahlsorten.
Für das Recycling stellt eine solche Mischung eine große Herausforderung dar, der sich das Team Kreislaufwirtschaft angenommen hat. So wird intensiv an Lösungen und optimierten Verfahren gearbeitet, damit die in den Nebenprodukten enthaltenen Rohstoffe wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt werden können.
Dies hat mehrere Vorteile: Zum einen werden die Primärressourcen geschont und die Versorgungssicherheit mit wichtigen Rohstoffen langfristig gewährleistet. Zum anderen werden wir unabhängiger von internationalen Marktentwicklungen und politischen Einflüssen auf den Rohstoffmarkt. Darüber hinaus reduzieren wir unsere CO2-Emissionen durch alternative Verfahren, wie z.B. das hydrometallurgische Recycling von Metallen aus Stäuben (mehr dazu unten). Wenn die Materialien recycelt werden, entfallen letztlich auch die Deponiekosten, was zu einer Kostenvermeidung führt.
Josephine Müller, Leiterin des Circular Economy Teams bei inSPire, fasst zusammen: “Das Recycling von Nebenprodukten ist für die Stahlindustrie nichts Neues. Was mit wenig Aufwand im Produktkreislauf gehalten werden kann, wird schon lange recycelt. Die Herausforderung bei HPM liegt in der Vielfalt der Sorten, Elemente und Verunreinigungen. Es ist für mich eine große Motivation, diese Herausforderungen anzugehen und in neue Richtungen zu denken.”
Die Wiederverwendung von Abfällen aus Mahlprozessen ist für HPM, aber auch für andere voestalpine-Divisionen von erheblichem wirtschaftlichen und ökologischen Interesse. Ein groß angelegtes Projekt widmet sich genau diesem Thema. In allen HPM-Werken fallen Schleifabfälle an, die derzeit nicht wiederverwertet werden und daher entsorgt werden müssen. Ziel ist es, Lösungen zu entwickeln, um diese Schleifabfälle zu recyceln und die darin enthaltenen Rohstoffe zu nutzen.
“Die Tatsache, dass Abfälle aus Schleifprozessen dem stofflichen Recycling zugeführt werden können, unterstützt das ‘Geschäftsmodell’ der Elektrostahlproduktion, das bereits stark auf eine Kreislaufwirtschaft ausgerichtet ist. Die Verarbeitung von Abfällen zu Sekundärrohstoffen ist natürlich nicht auf unsere Schleifabfälle beschränkt. Neue Kreisläufe zu erschließen ist unsere Aufgabe, um an einer nachhaltigen Zukunft zu arbeiten”, sagt Florentin Artner, verantwortlich für die Koordination der Kreislaufwirtschaft bei voestalpine BÖHLER Edelstahl in Kapfenberg.
Diese Nebenprodukte treten häufig in Form von Schlamm auf. Denn beim Zerkleinern von Metallen entsteht Staub, der unweigerlich mit Wasser oder Ölen in Berührung kommt. Diese Flüssigkeiten werden einerseits benötigt, um die Maschinen zu kühlen und andererseits, um den Staub zu binden, der als trockenes Produkt Sondermüll darstellt. Die Feuchtigkeit erschwert jedoch die Extraktion der Elemente aus dem Abfall. Eine weitere Herausforderung ist, wie bereits oben beschrieben, die heterogene Zusammensetzung der Stäube und Schlämme. Die Abtrennung der Nebenprodukte ist jedoch lohnenswert: Sie enthalten wertvolle Legierungselemente wie Nickel, Chrom und Vanadium.
Wie eingangs erwähnt, werden in einigen Anlagen des Geschäftsbereichs HPM Schleifabfälle recycelt und als Briketts in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt. Die Herstellung der Briketts selbst ist anspruchsvoll: Im ersten Schritt sollen die Metalle sortenrein getrennt werden. Danach gelten für jedes Material individuelle Anforderungen an die Weiterverarbeitung: Von der Trocknung über das Pressen bis zum Transport gilt es, die Materialeigenschaften zu beachten und den Brikettierprozess entsprechend zu gestalten.
Angesichts der wirtschaftlichen und natürlichen Gegebenheiten ist dies für die Unternehmen des Geschäftsbereichs nur schwer zu realisieren. Im Rahmen des Ausbaus der Wertstoffverwertung planen wir die Weiterentwicklung der Brikettierung für unsere Anlagen. Auf diese Weise wollen wir nach und nach immer mehr Wertstoffe durch geschlossene Kreisläufe im Konzern halten und damit den Einsatz von Primärrohstoffen so weit wie möglich reduzieren.
Seit Jänner 2023 läuft das Projekt HydroStäube in Kooperation mit der Montanuniversität Leoben und K1-MET, gefördert durch den Zukunftsfonds Steiermark. Es beschäftigt sich mit dem hydrometallurgischen Recycling von versorgungskritischen Metallen aus Stäuben der Eisen- und Stahlindustrie.
Der Begriff “Hydrometallurgie” bezieht sich auf Verfahren, bei denen Säuren und andere Flüssigkeiten verwendet werden, um Elemente aus Gemischen herauszulösen oder, in diesem Fall, um Staub abzutrennen. Bei den klassischen pyrometallurgischen Verfahren ist dies nicht möglich, da Wärme eingesetzt wird und die einzelnen Elemente teilweise zusammengeschmolzen werden.
Im Vergleich zu dieser herkömmlichen Methode bietet die Hydrometallurgie weitere Vorteile: Sie kommt ohne Erdgas und Kohle aus, benötigt also keine fossilen Brennstoffe, was wiederum ein Schritt zu mehr Umweltfreundlichkeit ist, da erhebliche Mengen an CO2 eingespart werden können. Eines der Hauptziele des Projekts HydroStäube ist es daher, eine nachhaltigere Alternative zu den bisherigen Verfahren zu finden, d. h. möglichst viele Bestandteile des Staubs mit geringem Energieaufwand zu verwerten.
Bei den Stäuben, um die es in diesem Projekt geht, handelt es sich um Nebenprodukte aus dem Elektrolichtbogenofen (EAF). In dem Ofen wird Schrott durch elektrisch erzeugte Hitze geschmolzen. Bei diesem Prozess verdampfen viele Stoffe, was zur Bildung von Staub führt, der wertvolle Elemente wie Eisen, Chrom, Nickel, Vanadium, Wolfram und Zink enthält.
Bislang stand Zink im Mittelpunkt des Recyclings, so dass die anderen Legierungen in der Regel nicht wiederverwendet werden können. Hier setzt das Projekt HydroStäube an, um die Wertstoffe durch alternative Verfahren für die Wiederverwendung verfügbar zu machen. Das Potenzial ist immens: Pro Tonne Edelstahl fallen zwischen 10 und 70 Kilogramm Staub an.
Beim Recycling von Nebenprodukten untersucht das Projektteam sowohl die getrennte Rückgewinnung wertvoller Metalle als auch die gemeinsame Rückgewinnung für die mögliche anschließende Produktion von Ferrolegierungen. Dabei handelt es sich um Eisenlegierungen, die häufig in der Stahlproduktion verwendet werden.
Bei der Prozessentwicklung werden verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt. Ziel ist es, ein Verfahren zu entwickeln, das durch die umfassende Rückgewinnung wertvoller Metalle die Primärressourcen schont und einen möglichst geringen Energiebedarf hat. Durch den Verzicht auf kohlenstoffhaltige Reduktionsmittel sollen auch die CO2-Emissionen deutlich reduziert werden. Darüber hinaus führt der Verzicht auf die Deponierung durch die Wiederverwendung der Nebenprodukte zu erheblichen Kosteneinsparungen für das Unternehmen.
Die in den Nebenprodukten enthaltenen Elemente spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. So wird Nickel durch seine Verwendung in Batterien, die beispielsweise in der Elektromobilität und der Energiespeicherung eingesetzt werden, zu einem immer wichtigeren Rohstoff für die Energiewende. Nickel findet sich auch in Legierungen, die zum Beispiel in der Geothermie oder der Wasserstofftechnologie benötigt werden.
Die Weiterentwicklung des Legierungsrecyclings und die effiziente Nutzung von Ressourcen sind für uns bei HPM von großer Bedeutung. Der Vorteil ist ein doppelter: zum einen wirtschaftliche Vorteile, zum anderen die Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit. Diese beiden Säulen sind in unseren Projekten eng miteinander verknüpft und werden mit großem Engagement sowohl innerhalb der Sparte als auch mit unseren externen Partnern vorangetrieben, wobei wir uns weiterhin auf die bestmögliche Verwertung unserer Nebenprodukte konzentrieren.