Nachhaltige Beschaffung ist weit mehr als nur eine ökonomische Verantwortung. Unternehmen müssen bei der Beschaffung von Rohstoffen auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung und die Achtung der Menschenrechte achten und gleichzeitig den Umweltschutz anstreben. Rohstoffe legen in der Regel einen langen Weg zurück, bevor sie in der Produktion der High Performance Metals Division (HPM) zum Einsatz kommen – sowohl geografisch als auch hinsichtlich der beteiligten Wertschöpfungspartner. In den letzten Jahren wurden weltweit neue Regelungen eingeführt, um die Rechte der Menschen entlang dieser Lieferkette zu schützen. Ein Beispiel ist das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – LkSG), das weitreichende Auswirkungen auf unsere täglichen Prozesse hat. Erfahren Sie, wie wir uns darauf vorbereiten und wie Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) unsere Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten beeinflussen.
Seit Januar 2023 ist das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten, kurz Lieferkettengesetz, in Kraft. Wie der Name schon sagt, regelt es die Sorgfaltspflichten von Unternehmen, um sicherzustellen, dass sowohl mit Menschen als auch mit der Umwelt entlang der gesamten globalen Lieferkette verantwortungsvoll umgegangen wird – von der Rohstoffgewinnung über alle Zwischenhandelsstufen bis hin zur Endverarbeitung. Dabei stehen Faktoren wie faire Entlohnung, die Vermeidung von Kinderarbeit und die Berücksichtigung von Umweltbelangen zum Schutz der Menschenrechte und der menschlichen Gesundheit im Mittelpunkt.
Das neue Gesetz gilt in Deutschland seit 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ab 2024 müssen Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten die Regelungen einhalten. Das bedeutet, dass bis spätestens 2024 rund 5.700 Unternehmen in Deutschland und ihre Lieferketten die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben sicherstellen müssen.[1]
Auch eine Tochtergesellschaft der voestalpine HPM Division unterliegt ab 2024 dem LkSG. Buderus Edelstahl mit Sitz in Wetzlar beschäftigt mehr als 1.000 Mitarbeiter. Bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen haben wir unsere Lieferketten genau unter die Lupe genommen und werden diese nach den neuen Kriterien bewerten.
Bei Buderus Edelstahl arbeiten wir bereits an der Umsetzung des Gesetzes und haben konkrete Maßnahmen umgesetzt bzw. geplant. Dazu gehören die Einführung eines strukturierten Prozesses zur Lieferanten-Risikoklassifizierung, der zu konkreten Maßnahmen führt, eine umfassende Human Rights Policy zur Sicherstellung der Menschenrechtskonformität in Geschäftsprozessen sowie ein Menschenrechtsbeauftragter als verantwortlicher Ansprechpartner.
Mit einigen Parallelen zum LkSG wird derzeit auf Ebene der Europäischen Union die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), kurz EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie, erarbeitet. Nach ihrer Verabschiedung soll diese Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in allen EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Spätestens dann unterliegen auch Buderus Edelstahl und die anderen Unternehmen der HPM-Division sowie des voestalpine-Konzerns deren Regelungen hinsichtlich Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Die HPM-Division kann die Umsetzung des LkSG bei Buderus Edelstahl daher als eine Art Pilotprojekt für die bevorstehende Umsetzung der CSDDD betrachten.
Um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, müssen wir eng mit den Lieferanten entlang unserer Lieferkette zusammenarbeiten. Wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit ihnen, um alle notwendigen Informationen und Daten zu erhalten. Wir befragen Lieferanten aktiv zur Einhaltung der Menschenrechte in ihren Tätigkeitsbereichen. Darüber hinaus erheben wir Umweltaspekte und ihre Pläne zur Dekarbonisierung. Diese Selbsteinschätzung hilft uns, Lieferanten hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit besser einschätzen zu können.
Die Kriterien basieren auf einem ESG-Rahmenwerk. ESG steht für Umwelt, Soziales und Governance im Sinne der (Unternehmens-)Führung. Anhand der definierten Kriterien wird also geprüft, wie Unternehmen in den Bereichen soziale und ökologische Nachhaltigkeit aufgestellt sind, ob Nachhaltigkeit in die Unternehmensführung integriert ist und welche ESG-Maßnahmen die Unternehmen bereits ergriffen haben oder ergreifen werden.
In unserem letzten Artikel über nachhaltige Beschaffung haben wir einen Überblick über unsere Grundsätze der nachhaltigen Beschaffung gegeben.
Um die Einhaltung der ESG-Kriterien entlang der gesamten Lieferkette sicherzustellen, haben wir Kriterien definiert, anhand derer wir unsere Lieferanten überprüfen. Zur Bewertung unserer Lieferanten verwenden wir vor allem zwei Tools:
Wir priorisieren Lieferanten nach ihrem Lieferantenrisiko, das wir im Risikofilter definieren. Dieser Filter wird konzernweit verwendet, um eine einheitliche Bewertung sicherzustellen. Er setzt sich aus den beiden übergeordneten Kriterien Produktgruppenrisiko und Herkunftsland zusammen. In das Produktgruppenrisiko fließen ökologische und soziale Kriterien sowie Themen ein, die für Stakeholder von Bedeutung sind.
Lieferanten können anhand von zwei übergeordneten Kriterien bewertet und in drei Prioritätsgruppen eingeteilt werden:
Unsere Lieferanten werden regelmäßig überprüft. Dadurch können wir auf Veränderungen und Entwicklungen reagieren.
Werden unsere Kriterien nicht erfüllt, kommt es zu einem Eskalationsprozess. Im ersten Schritt sprechen wir mit Lieferanten, wenn wir aufgrund ihrer Selbstauskunft Lücken in unseren Anforderungen feststellen. In diesen Gesprächen besprechen wir das Problem und mögliche Maßnahmen zur Lösung. Mit diesem Vorgehen wollen wir wichtige und teilweise langjährige HPM-Lieferanten nicht gleich ausschließen, sondern sie motivieren, höhere Nachhaltigkeitsstandards zu integrieren. So können wir gemeinsam mit ihnen auf eine nachhaltigere Lieferkette hinarbeiten.
Im Rahmen des Eskalationsprozesses können auch Vor-Ort-Begehungen beim Lieferanten durchgeführt werden, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Sollten die gemeinsam definierten Korrekturmaßnahmen auch dann nicht umgesetzt werden, könnte der Lieferant von HPM und der gesamten Gruppe ausgeschlossen werden.
Neben der Einhaltung gesetzlicher und konzerninterner Mindeststandards treiben wir auch eigene Bereichsprojekte im Rahmen der Säule „Sustainable Sourcing“ voran. So sind wir direkter Ansprechpartner und unterstützen unsere Werke bei der Umsetzung verschiedener Maßnahmen zur Erfüllung der Anforderungen. Wir verstehen uns im Rahmen von inSPire nicht nur als Team. Vielmehr arbeiten wir gemeinsam mit den Verantwortlichen in den Produktionsgesellschaften. Bei regelmäßigen Meetings und Vor-Ort-Besuchen tauschen wir uns zu Nachhaltigkeitsthemen aus, diskutieren gemeinsam Problemfelder und entwickeln neue Ideen und mögliche Maßnahmen. Zusammenarbeit ist bei uns nicht nur Theorie, sondern wird im Rahmen von inSPire täglich gelebt.
Die Konzepte ESG und Nachhaltigkeit in der Lieferkette sind noch relativ neu und unterliegen einem stetigen Wandel. Viele Regelungen und Gesetze, wie etwa die CSDDD, befinden sich noch in der Entwicklung. Die Bedeutung und Weitsicht neuer Nachhaltigkeitsregelungen und das gesellschaftliche Interesse daran sind jedoch bereits heute unbestreitbar. Für unsere Division und den voestalpine-Konzern ergeben sich viele Chancen, in diesen Bereichen Erfahrungen zu sammeln und in Pilotprojekten Prozesse aufzubauen und zu verbessern, bevor diese später – wie etwa bei der Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes bei Buderus Edelstahl – breiter ausgerollt werden. Bei allen Neuerungen sind wir auf die enge Zusammenarbeit unserer Lieferanten, Geschäftspartner und Mitarbeiter im Konzern angewiesen. Nur durch die Zusammenarbeit und Veränderungsbereitschaft aller Beteiligten können globale Lieferketten nachhaltiger gestaltet und Menschenrechte stärker verankert werden.
[1] vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2023). Das Lieferkettengesetz. https://www.bmz.de/de/themen/lieferkettengesetz/