Die starke Erholungsdynamik der Wirtschaftsentwicklung nach Auslaufen der pandemiebedingten Restriktionen hat durch den Ausbruch des Ukraine-Krieges mit den daraus resultierenden Sanktionen gegen Russland ein abruptes Ende gefunden und die Wirtschaftsentwicklung in Europa erneut gebremst. Auch in Nordamerika hat das Wirtschaftswachstum bereits im letzten Quartal des Geschäftsjahres 2021/22 unerwartet etwas abgenommen. Die Null-COVID-Strategie in China verringert nicht nur die Wirtschaftsdynamik im eigenen Land, sondern lässt aufgrund der engen Verflechtung der globalen Wertschöpfungsketten auch Folgewirkungen in Europa und Nordamerika erwarten.
Dementsprechend hat sich die Marktstimmung zu Beginn des Geschäftsjahres 2022/23 eingetrübt. Hinzu kommt, dass die Parameter für die wirtschaftliche Entwicklung – allen voran die Dauer und der weitere Verlauf des Ukraine-Krieges sowie die entsprechenden politischen Reaktionen – kaum einschätzbar sind. Zusätzliche Unsicherheitsfaktoren stellen die volatilen Rohstoff- und Energiepreise sowie der weitere Verlauf der COVID-19-Pandemie dar. China behält bis dato seine Null-COVID-Strategie konsequent bei, woraus temporäre Versorgungsengpässe in globalen Lieferketten im Laufe des Geschäftsjahres 2022/23 nicht ausgeschlossen werden können.
Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen sind die ausgezeichnete finanzielle Basis des Konzerns und die gute Buchungslage, mit der die voestalpine in das neue Geschäftsjahr 2022/23 startet, entscheidende Vorteile. Die Auftragsbücher sind bis in den Sommer 2022 hinein gut gefüllt, in manchen Produkt- und Kundensegmenten sogar noch länger, wobei die Vertragsstruktur, bestehend aus kurz-, mittel- und langfristigen Kontrakten, zusätzlich stabilisierend wirken wird.
Die Automobilindustrie wird bei guter Nachfrage auch im Geschäftsjahr 2022/23 erneut mit Versorgungsproblemen aufgrund von Unterbrechungen internationaler Lieferketten zu kämpfen haben. Im Verlauf des Geschäftsjahres sollte jedoch mit einer leichten Verbesserung dieser Situation gerechnet werden. Die Luftfahrtindustrie befindet sich aktuell in einem Aufwärtstrend, der sich über weite Teile des Geschäftsjahres 2022/23 fortsetzen sollte. Die Nachfrage von Seiten der Öl- und Gasindustrie wird durch die hohen Energiepreise weiterhin angetrieben werden. Die Bereiche Bau- und Maschinenbau sowie Hausgeräte und Konsumgüterindustrie zeigen aktuell eine solide Nachfrage. Der Eisenbahninfrastrukturbereich sollte wie in der Vergangenheit einen insgesamt stabilisierenden Faktor darstellen.
Vor diesem Hintergrund erscheint im 1. Quartal des neuen Geschäftsjahres 2022/23 jedenfalls eine gute Ergebnisentwicklung erwartbar. Auch Teile des 2. Geschäftsquartals sollten von den aktuellen Auftragsständen profitieren, wenngleich die Dynamik über den Sommer wie üblich abnehmen wird.
Die Prognose für das 2. Halbjahr 2022/23 ist mit sehr großen Unsicherheiten behaftet. Unter der Annahme, dass es insgesamt zu einer Abkühlung der weltweiten Konjunktur, aber zu keinen weiteren größeren wirtschaftlichen Verwerfungen bedingt durch den Ukraine-Krieg, neue aggressive COVID-19-Virus-Wellen oder großflächige Unterbrechungen von internationalen Lieferketten kommt, erwartet der Vorstand der voestalpine AG für das Geschäftsjahr 2022/23 ein EBITDA in einer Bandbreite von 1,8 bis 2,0 Mrd. EUR.