Die Rahmenbedingungen
Für die politischen Rahmenbedingungen sind folgende Ebenen entscheidend:
- Auf globaler Ebene geht es um einheitliche, verbindliche, faire und vergleichbare Rahmenbedingungen („global level playing field“).
- Auf europäischer Ebene geht es darum, wie und um welchen Preis die EU ihre Energie- und Klimaziele bis 2030 und darüber hinaus erreichen will, konkret um die Senkung von CO2-Emissionen durch Einsparung von Energie und die Umstellung auf erneuerbare Energien.
- Die europäische Perspektive ist für den voestalpine-Konzern derzeit die wichtigste, da die energie- und damit CO2-intensivsten Standorte in Europa angesiedelt sind.
Seit der Weltklimakonferenz 2015 in Paris gibt es einen ersten Schritt in Richtung „global level playing field“. Die zentralen Fragen für voestalpine werden jedoch mittelfristig weiterhin auf nationaler und vor allem auf EU-Ebene entschieden (Energieunion/Energiewende, Reform des Emissionshandels, Transformation, …). Offen bleibt, ob die EU das Ergebnis der Klimakonferenz zum Anlass nimmt, die gesetzten Klimaziele nochmal weiter zu verschärfen oder erst abgewartet wird, wie weit sich andere Regionen tatsächlich am weltweiten Klimaschutz beteiligen.
Technologien zum Klimaschutz
Auswirkungen der EU-Klimapolitik auf die voestalpine
Wichtigstes Instrument der EU ist derzeit das Emissionshandelssystem, kurz EHS. Das EHS ist ein Handelssystem für Emissionszertifikate, vorrangig für Kohlendioxid (CO2), und zielt in erster Linie auf einen möglichst hohen Preis für jede Tonne ausgestoßenes CO2 ab. Die Zuteilung von Gratiszertifikaten erfolgt auf Basis EU-weiter „Benchmarks“ und der Produktionsmenge von Unternehmen in bestimmten Referenzperioden. Je näher eine Anlage dem Benchmark kommt, desto weniger Zertifikate müssen zugekauft werden.
Problem des Systems ist, dass eine Verringerung von Emissionen mit heute bestehenden Technologien nicht beliebig weiter möglich ist, vor allem nicht in der Stahlindustrie, in der CO2 schon allein aus unvermeidbaren chemischen Prozessen entsteht. Somit kann mit dem CO2-Preis allein der ursprünglich beabsichtigte Lenkungseffekt zur „Dekarbonisierung“ nicht erreicht werden.
Ein weiteres Problem des EHS ist, dass es Ungerechtigkeiten zwischen einzelnen Sektoren als auch innerhalb einer Branche selbst schafft. voestalpine erreicht unter den europäischen Stahlunternehmen die besten CO2-Werte – ist dennoch bisher einziger Nettozahler im EHS. Gründe dafür sind:
- Die Zuteilung von kostenlosen Zertifikaten beruht auf historischen Produktionsdaten von vor 2009 => voestalpine hat durch die steigende Produktion in den letzten Jahren erhebliche Kostennachteile zu tragen, wohingegen andere Unternehmen aufgrund der krisenbedingt rückläufigen Produktion erhebliche Überschüsse an kostenlos zugeteilten Zertifikate bekommen.
- Der Benchmark (= theoretischer Bestwert) für kostenlose Zertifikate ist derzeit selbst für die besten Anlagen unerreichbar und soll laut Plänen noch weiter abgesenkt werden.
Position von voestalpine
Für uns stellen die derzeitigen Rahmenbedingungen eine große Herausforderung dar, vor allem auch, weil noch viele Fragen offen sind: Wie sieht die künftige Klima- und Energiepolitik in Europa aus? Wohin entwickelt sich der CO2-Preis wirklich? Welche Technologien können die bestehenden Verfahren auf lange Sicht ablösen? Für voestalpine ist daher eine langfristige Planungs- und Rechtssicherheit über die Rahmenbedingungen und koordinierte Anstrengungen von Politik, Energiewirtschaft und Energie von entscheidender Bedeutung:
- Schaffung global einheitlicher Rahmenbedingungen („global level playing field“) bei Energie- und Klimapolitik
- Zügige Umsetzung der EU-„Energieunion“ (Rahmenstrategie für klima-, energie- und wachstumspolitische Themen)
- Statt möglichst hoher CO2-Preise, braucht es Kapital zur Entwicklung neuer Technologien zum Klimaschutz
- 100 % kostenfreie Zertifikate für die „Besten“, und zwar auf Basis realer Produktion, aktualisierter und realistischer Benchmarks und ohne Verzerrung durch Korrekturfaktoren.
- Schutz exponierter Branchen vor „Carbon Leakage“ (Produktions-, Arbeitsplatz- und CO2-„Verlagerung“ in andere Regionen)
Um die Klimaziele zu erreichen greift es zu kurz, sich nur auf CO₂-Emissionen zu konzentrieren und diese möglichst teuer zu machen. Es ist vielmehr eine Frage der Energie und wie diese erzeugt wird – sie muss aus erneuerbaren Quellen zu wettbewerbsfähigen Preisen in ausreichender Menge gesichert zur Verfügung stehen.
Weniger CO2 = weniger Energie? Falsch!
Warum eigentlich „Energie und Klima“? Weil weniger CO2 in der Stahlerzeugung nicht gleichzeitig weniger Energie bedeutet – im Gegenteil. Ein Beispiel: voestalpine ist heute an den großen Stahlstandorten „energieautark“, versorgt sich also durch aufwendige Rückgewinnung großteils selbst mit Strom auf fossiler Basis (Kohle/Koks).
Würde die „kohlenstofffreie“ Wirtschaft eines Tages Realität, müsste die benötigte erneuerbare Energie vom externen Netz bezogen werden: Das entspricht am Beispiel voestalpine mehr als 30 Großwasserkraftwerken. Die „Energiefrage“ ist daher entscheidend für diesen Prozess, nicht nur der reine Fokus auf möglichst hohen CO2-Preis.